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Fotoausstellung »DAS ABBILD IM WANDEL DER ZEIT«

 

Ausstellung vom 16.12.23 bis 15.02.2024 

Vernissage: 15.12.2023, 18 Uhr
Der Künstler ist anwesend.

Seine Blütezeit erlebte die Street Photography bereits um 1930. Damals kamen in Europa und den USA schnellere und kompaktere Kleinbildkameras auf den Markt. Das Alltagsleben rückte mehr und mehr in den Mittelpunkt der Fotographie. Auch die Verwertung durch die Erfindung von Illustrierten erschloss sich ein größerer Markt und mehr Publikum.

Rit Lomo: „Welche Aufgabe hat der Chronist? 

Nach meiner Auffassung soll er möglichst objektiv, wenngleich der Betrachtende immer auch als subjektiv einzustufen ist, ein Abbild der Realität erschaffen, um es mitzuteilen, zu teilen und zu überliefern im Sinne der Altmeister und Meisterinnen wie Hildegard Ochses oder Henri Cartier-Bresson oder Robert Frank oder Jill Freedman oder Bruce Davidsons oder Magdalena Roeseler oder Josef Koudelka oder Elliott Erwitt um an dieser Stelle nur einige zu nennen“.

Die aktuelle Entwicklung in der authentischen Darstellung der Welt verändert sich. Noch vor 50 Jahren galt selbst in der sogenannten ersten Welt, die Regel, dass fotografiert wurde, was wertvoll und wichtig genug erschien, um dafür in Filmmaterial und deren Entwicklung zu investieren. Abgebildete Personen waren nicht selten stolz darauf, abgelichtet zu werden und so auf einem Foto zu „überleben“, in der Nachwelt auf diese Weise präsent zu sein und zu bleiben. Die Gefahr der Bild-Manipulation - ob aus kommerziellen, ideologischen, militärischen  Beweggründen oder welchen auch immer - gab es dabei von Anfang an. Und das nicht nur in der Geschichte der Fotografie. Wahrscheinlich ist das manipulierte Bild fast so alt wie das Bild selbst.

Mit der Digitalisierung hat sich die Welt und auch die Welt der Bilder jedoch rasant und radikal verändert. Konnten vor einem halben Jahrhundert vielleicht achtzig Prozent der Bevölkerung nicht wirklich gut und zudem auch noch in Farbe fotografieren, revolutionieren und dominieren heute vor allem die Mobiltelefone den „freien“ Markt der Abbildungen. Einst seltene Schnappschüsse sind gegenwärtig angesichts der Fülle an Belichtungsmöglichkeiten fast schon die Regel. Der visuelle Markt im Internet ist inflationär und unüberschaubar geworden und  ganze Berufsbilder verändern sich damit.  Die „Flut der Bilder“  und ihre Omnipräsenz korrespondieren mit einer Geschwindigkeit in der Bildproduktion, die kaum noch zum erfassen ist.

Die aktuellen Entwicklungen in der Bildrechte-Diskussion tragen ein übriges dazu bei,  diese ohnehin komplexe, komplizierte und nahezu unüberschaubare Lage noch komplizierter werden zu lassen. Und das im Wesentlichen in zwei  Richtungen: Zum einen sind wir mit den Bestrebungen einer generellen Ver-kommerzialisierung der Welt konfrontiert, bis in ihre letzten Winkel hinein. Zum anderen mit einer  Art Idiotie, die dem Individuum über Werbung und Medien suggeriert, jeder und jede sei ein Star oder könne es zu jederzeit werden und sei der Ruhm (die erheischte Aufmerksamkeit) einer von Tagen, Stunden, Minuten oder gar Sekunden. Das hat - in höchst unterschiedlicher Weise - seinen Preis. Nicht zuletzt in der Welt der Bilder und Abbilder. Gerade Abmahn-Anwälte reiben sich die Hände. 

Diese Werteverschiebung in der Gesellschaft hat mittlerweile die Strassenfotografie in Europa so gut wie unmöglich gemacht. Der „Street-Photographer“ als Chronist seiner Zeit, der einst die Realität beobachtete und mit entsprechender Professionalität im repräsentativen Ausschnitt festhielt, ist zu einer aussterbenden Spezies geworden. Die Chance, dass über ihn ein qualitativ hochwertiges Archiv voller Zeitdokumente der Nachwelt erhalten bleibt, künftig gleich Null. Seine, selbstverständlich subjektive und damit zugleich auch in der eigenen ethischen Verantwortung begründete „Weltanschauung“, sein individuelles Bild vom Menschen: passé

Setzt sich das „Recht auf das eigene Bild und Abbild“ und seine Vermarktung über alles und letztlich auch noch über den geschützten Bereich der Kunst hinweg und gegenüber allem durch, was der Blick des Street-Photographers auf die Wirklichkeit noch an Wirklichkeit festhält? Hinweg auch über den Wirklichkeitssinn und Möglichkeitssinn beim Betrachten seiner Arbeiten? Wenn ja, dann hat nicht nur er seine letzten Bilder „geschossen“, sondern eine Gesellschaft, die sich selbst reflektiert und reflektiert wissen will, sich selbst ins Knie.

Mit Lomo: „Die Frage, was wir künftigen Generationen an Einblick in  unsere und damit auch in ihre Geschichte weitergeben, erübrigt sich dann. Die Entdemokratisierung der Welt schreitet dann auch hier, auf dieser Ebene, weiter. Das unbedingt wichtige Recht des Einzelnen auf sein Bild und Abbild‘ mutiert unversehens zum Recht des Stärkeren. Populisten und Diktatoren klatschen über ein so viel und so weit verbreitetes Missverständnis in die Hände. Sie arbeiteten schon immer an dem einen, ihrem Bild von der Geschichte, an der einen, ihren ‚Wahrheit‘ - ihren Lügen. Die massenhafte Gefolgschaft scheint ihnen somit gewisser denn je.“

Und die Debatte um das letzte Bild gehen noch weiter, gesellt sich zu all dem auch noch die KI dazu. Durch Texteingabe entstehen neue Bilder, die keine Abbilder mehr sind. Sie zeigen uns ein aus verschiedenen Realitäten gezimmertes, je nach Begabung auch gezaubertes Bild, die Wirklichkeit wie eine seelenlose Vision. Der mitunter unbequeme Weg des Fotografen/Chronisten entfällt, nie mehr wird er unbedingter Teil der abgebildeten Szene sein, und das Porträt am Strassenrand hat als Begegnung von Menschen nie stattgefunden. Auch wenn Fotograf und Abbild oft die Namen des Gegenüber nicht kennen, ist ihre Beziehung alles andere als anonym. Wer in Bildern lesen kann, versteht das.

Rit Lomo:

Was ist los? Was spielt sich da gerade vor unseren Augen ab? Was tut sich da mit uns? Leidet dieses gedankenlose Insistieren auf dem ‚Recht am eigenen Bild’ und mit ihm unsere gesamte Gesellschaft letztlich nicht an einem gigantischen Realitätsverlust? Evolutionieren wir noch oder mutieren wir bereits? Sehen wir im Spiegel der Straßenfotografie das letzte Bild von uns selbst?“

Nachbemerkung:

…. Es gibt da, wie ich finde, ein fantastisches Lied von Ludwig Hirsch mit dem Titel 1928, geschrieben 1979 https://www.youtube.com/watch?v=YfNlE8IQK94

 

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